Schlaf

Warum der Mensch schläft, wie man besser einschläft und welche Rolle unsere Gene dabei spielen.
Der Mensch kann mittlerweile zum Mond fliegen oder kleinste Moleküle sichtbar machen, das Phänomen „Schlaf“ hingegen, mit dem wir immerhin etwa ein Drittel unserer Lebenszeit verbringen, ist jedoch nur ansatzweise erforscht. Fakt ist, dass Schlafen kein passiver Zustand und dass bei menschlichem und tierischem Leben der Schlaf zum Überleben notwendig ist.

Schlaf ist ein Zustand der äußeren Ruhe, bei dem viele Lebenszeichen, z.B. Puls, Blutdruck und Atmung, anders sind als im Wachzustand. Das Wort „Schlaf“ kommt von „schlapp werden“ und ist verwandt mit „schlaff“.

Der Schlaf unterteilt sich in Phasen (Tiefschlaf und weniger tiefer Schlaf), die sich im sogenannten Schlafrythmus abwechseln. Studien sprechen bei Erwachsenen dem Schlafrythmus eine Länge von etwa 1 ¾ Stunden zu. Den mehrmaligen Wechsel pro Nacht von Tiefschlaf zu Traumschlaf nennt man auch Schlafarchitektur.

Eine der Phasen des leichten Schlafes ist die REM-Phase (rapid-eye-movement: schnelle Augenbewegungen), die dem Wachzustand ähnelt, weshalb sie auch „paradoxer Schlaf“ oder „Traumschlaf“ genannt wird. Gehirnaktivität, Herz- und Atemfrequenz sind jetzt erhöht und die Skelett-Muskulatur -mit Ausnahme der Augen- jedoch blockiert. Im REM-Schlaf / Traumschlaf werden tagsüber gelernte Erlebnisse nochmal abgespielt und z.B. mit Emotionen neu verknüpft. Neugeborene verbringen übrigens fast die gesamte Schlafenszeit im REM-Schlaf.

Beim Tiefschlaf, einer Non-REM-Phase, liegt man regungslos da. Es werden tagsüber gelernte Dinge, die im „Arbeitsspeicher“ Hippocampus zwischengespeichert werden, in den Langzeitspeicher Cortex (Großhirnrinde) überspielt. Daher ist der Tiefschlaf für das Lernen besonders wichtig.

Warum wir schlafen

Es gibt viele Theorien zur Frage warum wir eigentlich schlafen und vermutlich haben alle Theorien zumindest zum Teil Wahrheiten in sich:

Nach einem optimalen Schlaf fühlt man sich erholt. Nahe scheint da die Vermutung zu liegen, dass sich während des Schlafs die Organe erholen. Eine bloße Ruhephase würde zwar verhindern im Schlaf von Feinden überrascht zu werden, jedoch sei der Energieaufwand einer Ruhephase höher als beim Schlaf, weshalb der Schlaf evolutionstechnisch bevorzugt würde.

Auch kann der Schlaf zur Erhaltung des ökologischen Gleichgewichtes nötig sein: Während ein Raubtier schläft, können sich die Beutetiere in seinem Revier erhalten und vermehren, was wiederum dem schlafenden Raubtier zu Gute kommt. Auch hier spielt die Energieeffizienz eine Rolle: Das besagte Raubtier benötigt nicht 24 Stunden am Tag um sich zu ernähren und fortzupflanzen, daher ist der Schlaf eine geeignete Methode um am restlichen Tag Energie zu sparen.

Eine andere Vermutung lautet Schlaf sei notwendig um die Ausbildung des jungen Gehirns voranzutreiben.

Gesichert ist die Erkenntnis, dass Schlaf notwendig ist, um die am Tag gemachten Erfahrungen zu verarbeiten. Tatsächlich wissen wir heute, dass es einen Zusammenhang zwischen Schlaf und Gedächtnis gibt.

Augenscheinlich ist in jedem Fall, dass eine evolutionäre Anpassung von Lebewesen an die natürlichen Licht- und Temperaturverhältnisse stattgefunden haben muss.

Die innere Uhr und die Rolle des Melatonin

Während beispielsweise das Pferd durchschnittlich nur knapp 3 Stunden und die Katze über 13 Stunden pro Tag schläft, schläft der erwachsende europäische Mensch ca. 7 Stunden pro Nacht. Die optimale individuelle Schlafdauer hängt jedoch vom sogenannten „circadianen Rhythmus“ („circa“: um herum - „dies“: der Tag) ab: Jeder Mensch hat eine innere Uhr, die z.B. die Körpertemperatur (diese schwankt um ca. 1 Grad im Laufe eines Tages) und die Melatoninkonzentration im Blut steuert.

Melatonin ist ein hormonähnlicher Stoff, der müde macht, also als natürliches Schlafmittel fungiert. Es wird unter anderem in der Netzhaut des Auges gebildet und bei Dunkelheit freigesetzt. Tageslicht verhindert die Freisetzung von Melatonin, weshalb man nachts etwa 10 mal mehr Melatonin im Blut hat, als tagsüber.

Wach werden bei Sonnenaufgang

Eventuell haben Sie schonmal die Erfahrung gemacht, trotz schlafloser Nacht bei Sonnenaufgang wieder munter zu werden. Dieses Phänomen könnte man auf eine geringere Melatoninkonzentration im Blut zurückführen, die durch Helligkeit verursacht wird.
Der natürliche Rythmus beträgt etwa 24 Stunden. Gestellt wird die interne Uhr täglich neu, hauptsächlich durch den natürlichen Hell-Dunkel-Rythmus, aber auch durch die Umgebungstemperatur und durch soziale Reize (Umgebungsstimmen, Wecker). Schlafen ist in dem Zeitpunkt am effizientesten, in dem die Melatoninkonzentration am höchsten und die Körperkerntemperatur am niedrigsten ist. Die innere Uhr läuft jedoch weiter, auch wenn die äußeren Reize fehlen oder nicht synchron mit der inneren Uhr sind.

Der Jetlag

Vermutlich kennen Sie das Phänomen „Jetlag“ („jet“: Düsenflugzeug - „lag“: Verzögerung). Nach einer Flugreise in eine abweichende Zeitzone (bei den meisten Menschen ab ca. 5h Zeitverschiebung) kommen die natürlichen Rythmen ausser Takt, weil der Hell-Dunkel-Wechsel zu ungewohnten Zeiten auftritt. Als Folge treten z.B. Müdigkeit, Schlafprobleme, Schwindelgefühl und Appetitlosigkeit auf. Die innere Uhr benötigt dann bis zu zwei Wochen, um sich auf die neue Umgebung einzurichten.
Auch Pflanzen haben übrigens eine innere Uhr (z.B. Blütenöffnung an bestimmten Tageszeiten).

Morgentyp und Abendtyp

Noch nicht allzu lang bekannt ist, dass der Unterschied zwischen „Morgenmuffel“ und „Frühaufsteher“ auch in den Genen festgelegt ist. Dafür verantwortlich ist (ausser dem „BisInDiePuppenFeiern-Gen“) das Period 3- Gen, das bei nachtaktiven Menschen kürzer ist. Festgestellt wurde, das Morgenmenschen häufiger abends gähnen und Abendmenschen häufiger morgens gähnen.

Aufwachen

Ein optimaler Zeitpunkt zum Aufwachen ist die REM-Phase, da hier das Gehirn so aktiv ist, wie wenn wir sowieso schon wach sind. Auch sind Herz- und Atemfrequenz höher als im Tiefschlaf, was das Hochfahren der Systeme leichter macht. Die berühmte morgendliche Erektion des männlichen Genitals ist ein Indiz - nicht unbedingt für einen erotischen Traum- sondern für das Aufwachen in der REM-Phase und dem damit einhergehendem erhöhten Blutdruck. REM- und Non-REM-Phasen wiederholen sich mehrmals pro Nacht. Wer im Tiefschlaf geweckt wird, ist häufig zunächst orientierungslos und hat es schwerer, in die Gänge zu kommen.

Einschlafen

Belegt ist, dass bei Dunkelheit das Auge bzw. die Sehbahn weniger von einem Transmitter produziert, das für die Aufmerksamkeit wichtig ist.
„Bei Dunkelheit ist man prinzipiell weniger aufmerksam.“
Im Abschnitt „Melatonin und die innere Uhr“ haben wir bereits erfahren, dass bei Dunkelheit mehr von dem müdemachendem Melatonin ausgeschüttet wird. Bei großer körperlicher Anstrengung - also Sport oder Arbeit - entsteht Adenosin, was Müdigkeit hervorruft.
„Nach körperlicher Anstrengung ist man prinzipiell müder.“
Koffein verhindert übrigens die Wirkung von Adenosin. Koffeein hat eine Halbwertszeit von ca. 7h. Trinkt man um 16 Uhr einen Kaffee, ist das damit vergleichbar, man hätte um 23 Uhr abends eine halbe Tasse Kaffee getrunken.
„Durch Koffein-Konsum ist man prinzipiell weniger müde.“


Schlafhygiene

Schlafhygiene meint nicht etwa die Sauberkeit von Bettzeug und Schlafanzug, sondern Verhaltensweisen und Umgebungsgestaltung, um Schlafstörungen zu vermeiden.

Eine schlechte Matratze oder ein schlechtes Bett ist tatsächlich ein ausschlaggebener Faktor, um gut zu schlafen. Auch die Einflüsse von Licht, Wärme und Umgebungslautstärke sind ausschlaggebend.

Alkohol, Nikotin und Koffein stören das Ein- und Durchschlafen signifikant.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Abstimmung auf den biologischen Rythmus. Wem es erlaubt ist, sollte unbedingt regelmäßige Schlafenszeiten, aber auch regelmäßige Essenszeiten einhalten, um synchron mit der inneren Uhr zu leben.

Schlaflosigkeit, Schlafstörungen und Schlafprobleme

Schlafprobleme, - übrigens wie ganz viele Volks- und Modekrankheiten - , begründen sich fast immer darauf, dass sich die Lebensweise des Menschen schneller entwickelt hat als die Gene des Menschen: Der heutige Mensch ist seiner Evolution weit voraus. Bedenkt man, dass der Mensch erst vor etwa 10.000 Jahren sesshaft wurde, begann Ackerbau zu betreiben und Tiere als Fleischlieferant zu domestizieren, wird einem klar, dass bei nur etwa 300 Generationen, also 300 Vererbungsvorgängen, der Mensch noch wenig Gelegenheit hatte, sich auf die heutige Welt mit strikten Zeitplänen, stundenlangem Sitzen im Bürostuhl, zu wenig Bewegung und dem Körper zugeführten Substanzen wie Koffein oder Nikotin einzustellen. Als heute lebender Mensch ist es schwierig, auf gesellschaftsverträglicher Art die Lebensweise von damals fortzuführen, denn das würde bedeuten, bei Sonnenaufgang aufzustehen, den ganzen Tag barfuss auf der Jagd zu sein und abends kurz nach Sonnenuntergang beim Gemurmel der anderen aus der Horde friedlich einschlummern. Ob sich der Mensch in dieser Hinsicht tatsächlich weiterentwickelt hat und das Leben nach der industriellen Revolution einfacher geworden ist, sei mal dahingestellt, zumindest ist es schwierig, sich gegen den Rythmus der heutigen Gesellschaft zu stellen.

Schlaflosigkeit hat selten eine alleinige Ursache. Kaffee, ein vollgeschlagener Bauch, Gedankenkreisen um ein Problem, Stress, eine zu helle, zu laute oder zu warme Umgebung sind häufige Ursachen. Auch ist aus Mangel an körperlicher Tätigkeit der Körper oft einfach noch nicht müde, wenn der Geist schon schlafen möchte.

Wie besser einschlafen

Wir wir im oberen Abschnitt „Schlaflosigkeit“ gelernt haben, ist der heutige Mensch seiner Evolution weit voraus. Wissenschaftler sagen, dass...

  • ...sich vor etwa 5-8 Millionen Jahren die Entwicklungslinien von Schimpansen und Menschen getrennt haben. Daraus habe sich vor 2 Millionen Jahren die Gattung „Homo“ entwickelt hat, aus der heutige Mensch abstammt (während andere Entwicklungslinien ausgestorben sind)
  • ...die Gene des Schimpansen mit dem menschlichen Genom zu 98% identisch sind

Bedenkt man darüberhinaus, dass die „neolithische Revolution“ (griechisch neos „neu“ - lithos „Stein“), also die Zeit in der der Mensch vom Jagen und Sammeln überging zum Anbauen und Viehzüchten, erst vor 10.000 Jahren (nämlich in der Jungsteinzeit) stattgefunden hat, und lässt man außen vor, dass sich der Schimpanse evolutionär ebenfalls weiterentwickelt hat, kann man aus diesen beiden Theorien folgern, dass der Mensch genetisch zu 98% darauf eingestellt ist, als Jäger und Sammler zu leben. Denn auf diese Art hat er Millionen von Jahren lang gelebt. Die 10.000 folgenden Jahre, in denen er sesshaft war, sind also nur ein Bruchteil der Menschheitsgeschichte.

Daher scheint es keine schlechte Strategie zu sein, so weit wie möglich die Rahmenbedingungen zu schaffen, wie sie in der Altsteinzeit, also der Zeit der Jäger und Sammler vorzufinden waren.

Machen wir also eine Zeitreise:

Wir sind im Jahr 30.000 vor Christus. Der Mensch lebt in Horden zu etwa 100-150 Menschen und geht mit Steinwerkzeugen auf die Jagd. Er kann Feuer machen, was eine 790.000 Jahre alte Feuerfundstelle beweist (vielleicht ein Indiz dafür, warum uns Lagerfeuer so fasziniert), und er kann schon abstrakt denken, was 35.000 Jahre alte Höhenmalereien beweisen. Er kennt keinen Ackerbau und keine Viehzucht, und kennt somit auch keine Milch, keinen Käse, kein Getreide, kein Brot und auch keine Vorratshaltung.

Heute würde man sagen, der frühe Mensch zog umher, besorgte sich „just-in-time“ die gerade benötigten Lebensmittel und ernährte sich nach dem Low-Carb-Prinzip, denn natürlich gab es damals auch keine industriell verarbeiteten Nahrungsmittel wie Zucker oder Fertiggerichte.

Wie sehr der heutige Mensch noch auf diese lange Zeitepoche programmiert ist, wird z.B. dadurch deutlich, dass er -auch wenn er schon dick genug ist- bei Süßigkeiten immer zugreifen muss, da er früher niemals zu viel Zucker bekam, Zucker aber als schnelle Energie besonders wertvoll war.

Volkskrankheiten wie Diabetes, Schlaganfälle und Herzinfarkte kamen so gut wie nicht vor, jedoch wurde der frühe Mensch auch nicht sehr alt, was weitgehend auf mangelnde Ernährung, Hygiene und Medizin zurückzuführen ist. Jedoch hat der Mensch zu dieser Zeit noch im Einklang mit seinen Genen gelebt.

Wie hat der frühe Mensch geschlafen?

Sicherlich hat er gut geschlafen, denn schlecht zu schlafen ist ineffizient und kann von der Natur nicht gewollt sein, da es gegen die Arterhaltung ist: Wer tagsüber müde war, war als Jäger erfolgloser und als Beutetier „erfolgreicher“.

Die Menschen gingen gemeinsam ins Bett. Heute vermutet man übrigens, Gähnen sei deshalb ansteckend, weil es ein Signal an die Gruppe war, demnächst gemeinsam ins Bett zu gehen, um am Folgetag erfolgreicher gemeinsam auf Jagd zu gehen.

Der Mensch schlief nachts. Es war dunkel, ruhig und kühl. Er hatte zuvor keinen Kaffee getrunken und die Muskeln waren müde, weil er den ganzen Tag auf der Jagd war. Sein Geist war nicht voll mit Gedanken, denn es gab keine verzwickten Probleme, über die sich Gedanken gemacht werden musste.

Geweckt wurde der Mensch regulär vom Sonnenlicht und ungewollt von Geräuschen. Ein Geräusch war ein Alarmsignal. Nur deshalb funktionieren Wecker.

Gestört wurde der Schlaf gelegentlich durch Angriffe von Raubtieren oder sogar einem Überfall einer anderen Horde. Daher hielten stets einige aus der Horde Wache. Schrien diese Wachen wild umher, wurden alle anderen so schnell wie möglich wach, denn dann war Gefahr im Anzug. Hörte man die „Wachen“ (man beachte den doppelten Wortsinn) nicht, war potentielle Gefahr vorhanden, denn eventuell waren sie eingeschlafen oder schon zur Beute eines leisen Jägers geworden.

So kann man schlußfolgern, dass wenn sich die Wachen leise unterhielten (Sprache gab es bereits seit vielen Jahrzehnten oder sogar Jahrhunderten), alles in Ordnung war und man ruhig schlafen konnte ohne sein Leben zu riskieren.

Als weiteren Grund dafür, dass uns ruhige, gedämpfte menschliche Sprache signalisiert, dass alles in Ordnung ist und keine Gefahr droht, wird vermutlich auch der Umstand sein, dass jeder Mensch seine ersten neun Lebensmonate entsprechend im Mutterleib verbringt. Für viele Verhaltensweisen sind die Erfahrungen vor der Geburt prägend.

Vielleicht hören heute deshalb selbst Erwachsene gerne ruhige Hörbücher, um besser einzuschlafen.